Die Steine auf dem Pfad der Liebe [29.12.2015]

Vor ein paar Tagen bereitete ich ein neues Heft, um meine Träume darin aufzuschreiben. Ich starte auf die leere Seite und dachte:
›Ich werde mit dem schreiben warten bis ich eine schöne Engelerfahrung für die erste Seite habe.‹ Ich möchte das Tagebuch mit einer schönen Geschichte anfangen.

Heute Nacht ist es soweit, ich träume wie ich mich mit einer Bekannten, Tanja, und ihren Freunden treffe. Es ist dunkel und wir streifen umher bis zum Morgengrauen. Im Park steige ich auf eine Bank und balanciere über das schmale Brett der Lehne. Auf der anderen Seite angekommen strecke ich meine Arme aus und schaue in den Nachthimmel. Ich stelle mir vor zu fliegen. Dann richte ich meinen Blick zu Boden und springe runter auf das grüne Gras!
›Es ist der falsche Augenblick zum Tagträumen. Ich muss mich Erden!‹ Ich konzentriere mich auf den Boden unter meinen Füßen und laufe mit meinen Freunden weiter. Wir biegen in eine Seitenstraße ab. Es wird heller und der Morgen bricht an, während wir an einer gigantischen Kathedrale vorbeilaufen! Ich neige meinen Kopf nach hinten, um die Turmspitze zu sehen! Ein Park umgibt die Kathedrale. Während ich das alte Gebäude betrachte, erinnere ich mich an einen Filmabend mit Arbeitskollegen, wir schauten uns den Klub der toten Dichter an: In einer der Szenen betteten die Schüler vorm Essen. Meine Chefin kommentierte dies mit »Phoa! Was für ein Blödsinn! Die armen Jungs!« Das hatte bei mir einen Punkt erwischt. »Genauso gehört es sich.«, erwiderte ich. Das ist eine wunderschöne alte Sitte. Selbst in Zeiten wo ich sonst keine Lust zum Meditieren oder Beten habe, muss ich vorm Essen dennoch ein paar Worte der Dankbarkeit an den Planeten richten, besonders dann, wenn ich andere Lebewesen esse … Meine Aufmerksamkeit kehrt zurück zum Ort des Geschehens.
»Phantastisch!«, sage ich »um die Kathedrale herum könnte man toll joggen!«
»Joggst du?«, fragt mich einer der Jungs. Er erinnert mich ein bisschen an Engel Sebastian aus meinen Träumen.
»Nein! Aber wenn ich hier Leben würde, dann würde ich Joggen!«
Er schmunzelt.
Am Abend übernachten wir an einem öffentlichen Schlafplatz. Der Ort hat auf einer Seite Schaufenster, draußen herrscht Dunkelheit. Wieder Stadtlichter noch Sterne oder Mond erhellen die Straßen. Jeder von uns sucht sich eine Liege aus. Ganz hinten im Gebäude übernachtet eine unbekannte Frau. Tanja sucht sich den Schlafplatz neben ihr aus und sie kommen ins Gespräch.
»Warum bist du hier?«
»Ich heirate bald und darf meinen zukünftigen Mann vor der Hochzeit nicht sehen.«
Ich betrachte die Frau kurz, sie ist schwarzhaarig und hat recht dunkle Haut. Sie könnte ihre Wurzel in einer arabischen Kultur haben.
»Sieben Tage vorher muss ich fasten.«
»Das kling hart«, sagt Tanja.
›Vielleicht wieder so eine Sitte in der tagsüber gefastet und nach Sonnenuntergang ein Festmahl folgt.‹ denke ich innerlich und rolle leicht meine Augen. Ich gehe mit Vorurteilen an die Sache ran, denn ich bin kein Fan von Hochzeitsitten, die Liebe ersticken. Hat sie ihren Ehemann überhaupt selbst auswählen können oder ist es eine von Eltern arrangierte Hochzeit? Wie kann man überhaupt von Liebe sprechen, wenn der Ehepartner durch die Eltern schon vor der Geburt gewählt wurde?
»Morgens darf ich ein bisschen essen. Ein Kloß und sowas«, sagt die junge Frau zu Tanja mit einer demütigen Stimme. Kann sie etwa meine Gedanken hören?
»Dann geht es ja!«, sagt sie erleichtert.
»Ich habe früher richtig gefastet und höchstens drei Tage ausgehalten. Ab da wird es sehr unangenehm.«, ich breche meine Stille.
Tanja läuft zu mir »Ich habe auch gefastet, du warst schneller!«
»Erster!«, rufe ich zurück und wir lachen.

Ich wache auf. Erinnere mich nach und nach an den Traum. Teile die vorher geschahen bleiben vor mir verborgen, obwohl ich mich erinnere, es geträumt zu haben, es liegt mit sprichwörtlich auf der Zunge.
›Soll ich es aufschreiben?‹
Es war ein schöner Traum, aber es fehlt noch etwas zu einer schönen Geschichte … ich mache mir ein paar stichpunktartige Gedächtnisstützen.
›Es legen noch mehrere Stunden Schlaf vor mir. Vielleicht kommt eine Fortsetzung.‹

Mein Körper schläft schnell wieder ein, ich bleibe jedoch bei Bewusstsein und spüre eine Präsenz bei mir. Sie ist maskulin.
»Michael?«, bist du es?
Ich spüre etwas wie Hände über meinen Kopf streicheln und schlafe dabei ein …
Der Traum beginnt. Ich bin eine Studentin und dabei mich für die Vorlesungen fertig zu machen. Die Schule ist in der Stadt und ich muss meinen Zug erwischen! Vor lauter Eile vergäße ich Socken und Schuhe anzuziehen, laufe barfuß zum Bahnhof. Erst da bemerke ich meine kalten Füße!
›Sollte ich zurückgehen?‹
Ich blicke auf die Anzeigetafel.
›Das ist merkwürdig, sie ist auf Englisch.‹ Meine Erinnerungen vermischen sich mit dem Traum, für mich ist dies mein heimischer Bahnhof. Der fremdartige Name der Stadt ist mir ebenfalls unbekannt.
›Wo bin ich?‹, ich glaubte, dies sei meine Jugend.
Ich steige in den Zug, der gerade am Bahnsteig steht. Er setzt sich in Bewegung und ich stelle fest, dass er in die verkehrte Richtung fährt! Nachdem ich nun sowieso verspätet komme, kann ich mir in dem anderen Ort vorher Schuhe kaufen. Zwei Frauen neben mir unterhalten sich über heutige Nachrichten.
»Sie haben den Attentäter geschnappt«
»Was wird mit ihm geschehen?«
»Ich weiß nicht, er ist weniger als eine Fünf.«, eine unsinnige Personenbewertung, »Er hat niemanden, der sich um ihm kümmert.« Ich sehe vor meinem Geist das Bild eines Mannes, der in Handschellen abgeführt wird. Danach verschwinden die Bilder. Es bleibt nur noch ein grauer Lichtschein, der mich im Bett umgibt. Ich liege gedankenlos und wundere mich, was dies zu bedeuten hat, rufe gedanklich Erzengel Michael: ›Please come to me now.‹
Da höre ich die männliche Stimme des Engels von vorhin:
»Ist doch verständlich.«, und komme zu Bewusstsein in meinem Körper.

›Nein, nicht für mich‹, der Traum beschäftigte mich noch den Rest des Tages. Gerade bei den Worten »Er hat niemanden, der sich um ihm kümmert«, fallen mir einige Dinge ein, die eine junge Person zu größten Dummheiten treiben.

Die Nacht geht weiter. Ich träume von Teilen meiner Kindheit, die Zeit nachdem meine leibliche Mutter mich nach Deutschland mitnahm. Von der Zeit als ich nach Arbeit und einer Ausbildungsstelle suchte um mich von ihr loszulösen. Am Ende laufe ich durch die Innenstadt und bleibe vor einer Cafeteria stehen. Ich lasse den Kopf auf einen der Bartische fallen und seufze. Drifte dabei langsam weg, der Ort verschwindet und ich bin erneut von dem grauen Licht umhüllt. Eine höhre weibliche Stimme spricht:
»Du hattest ein steiniges Leben. Du kannst dir vorstellen, dass Liebe auch steinig ist.«

Im nächsten Augenblick schnappe ich nach Luft und wache auf! Was ist los?! So wachte ich sonst nur auf, wenn ich die Traurigkeit der Engel verspüre. Ich bleibe gedankenlos liegen. Ich möchte dem Engel zustimmen:
»Ja, Liebe ist steinig.« Auch ich hab es erlebt. Aber etwas in meinem Innerem hält mich zurück. Etwas in mir ist dagegen. Andere Worte wollen aus mir heraus … ich verfalle wieder in leichten Schlaf und Trance, das graue Licht ist immer noch da.
›Ich glaube, Liebe ist eigentlich sehr einfach‹, ich traue mich zu widersprechen und wache wieder mit einem schweren Atemzug auf! Es ist das Ganze drum herum, mit dem wir Liebe kompliziert machen. Die ganzen Regeln, die ganzen Dogmas. Manchmal sind wir Mittäter und manchmal werden wir von den Umständen hineingezogen. Es kann ein Teufelskreis aus schlechten Erfahrungen werden. Doch Liebe an sich, sie ist sooo simpel. So allgegenwärtig. Sie braucht nicht einmal einen Namen, nicht einmal Worte. Nur ein bisschen Mitgefühl, ein bisschen mitfühlen mit Mensch, Tier und Planet.

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