Die Nacht, bevor ich meine Zwillingsflamme traf

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Es war kalt. Es war nass. Es war … dunkel. Und es war Magie.

An einem Samstag fuhr ich in einem kleinem Twingo Richtung Würzburg los. Es sollte ein Tagesausflug werden. Auf dem Weg dorthin wollte ich in Verschiedenen kleinen Ortschaften haltmachen. Die Sehenswürdigkeiten und das Land auf dem Weg zwischen Nürnberg und Würzburg sehen. Am späten Nachmittag traf ich in einem kleinen Ort namens Castel an. Die ersten paar Schritte nach dem ich aus meinem Auto stieg, hielt mich ein älterer Herr an. Er fragte mich in drei Sätzen aus und schien daraufhin alles über mich zu wissen. Er erkannte in Augenblicken mein Innerstes. Als Letztes erzählte er mir von dem Weinfest im Ort, das am Abend anfangen sollte, und lud mich ein vorbeizukommen. Ich lief weiter durch den Ort und schaute mir die alten Schlösser und die Kirche an. Mein Entschluss immer noch, im Anschluss nach Würzburg weiterzufahren. Doch etwas hielt mich davon ab. Etwas in mir sagte: Bleibe. Der Mann hatte in 10 Minuten in mein Innerstes geblickt. Es hatte etwas zu bedeuten.
›Ich kann im Auto übernachten und Würzburg morgen den ganzen Tag lang besichtigen‹, kamen die Gedanken und mein Entschluss stand fest. Ich bleibe. Das Weinfest war durchaus nett, doch ich wartete auf diesen besonderen Augenblick, der mir offenbart, warum ich eigentlich immer noch da bin. Im Laufe des Abends sah ich eine hübsche Frau im roten Kleid. Ich stand gerade in der Schlange, ein paar Augenblicke später lief ich ihr nach, aber sie war verschwunden. Ich suchte sie den ganzen Abend lang. Ich wollte sie unbedingt ansprechen. Ohne Erfolg. Gegen zwei in der Nacht, bin ich zum Auto und legte mich schlaffen. Das Einschlafen fiel mir schwer. Es wurde immer kälter. Ich hatte nur ein Shirt und weißes Hemd an. Sie waren sehr bald von der kondensierenden Feuchtigkeit im Auto durchnässt. Ich schlief ein und wachte immer wieder auf. Ich wollte nach Hause fahren. Aber etwas hielt mich auf.
›Ich muss unbedingt ausharren‹, flüsterten mir die Gedanken.
Stunden später war es geschafft. Die Sonne ging am Morgenhimmel auf. Ich dachte erneut an die Frau in rotem Kleid. Gegen alle Wahrscheinlichkeit startete ich eine Dating App mit Umgebungssuche … und sah ihr Foto. Es kann kein Zufall sein … ich schrieb sie an und fuhr weiter nach Würzburg, während ich auf eine Antwort hoffte.
Gegen Mittag lief ich entlang der Burgmauer in Würzburg und blickte neugierig in die Dating App. Eine neue Nachricht. Aber es ist jemand anders.
»Was genau meinst du mit Mut?«
In meinem Profil stand an der ersten Stelle eine Frage: »Gibt es da draußen auch mutige Frauen?«
Ihre Frage fesselte mich. Doch in ihrem Profil stand sonst fast nichts. Ich sah nur die stark mit Photoshop künstlerisch bearbeiteten Fotos. Ich mag solche unnatürliche Selbstdarstellung nicht … Doch ich war von ihrer Frage gefesselt. Sie war die Erste, die eine derart tiefgründige Gegenfrage stellte.
Ich antwortete erst am Abend.
»Nun, es bedeutet viel. Unter anderem, selbst den ersten Schritt zu machen und jemanden anzuschreiben.«
Und wie froh ich doch bin, dass ich antwortete. Ich bin dankbar für jeden Tag unserer fünf Wochen.

Heute Abend zog ich das Hemd vorm Schlafengehen zum ersten Mal seit jener Nacht wieder an.
Wie schön wäre es doch, wenn dies die zweite Nacht bevor ich meine Zwillingsflamme treffe, wäre.

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